Flying clothes – Alles für den perfekten Moment !
Um das Offensichtliche direkt einmal vorwegzunehmen und um etwaigen Beschwerden vorzubeugen. Natürlich haben ich Bilder mit fliegenden Kleidern an diesem Tag nicht erfunden. Denn es ist vielleicht das ikonischste Bild des Filmstars Marilyn Monroe in einem ihrer Filme „Das verflixte 7. Jahr„: Die hübsche blonde Dame steht in einem luftigen weißen Kleid in urbaner Kulisse über einem U-Bahn Abluftschacht, als aus diesem plötzlich ein kräftiger Luftzug eines durchfahrenden Zuges nach oben dringt und ihr Kleid luftig in die Höhe fliegen lässt. Natürlich alles sorgfältig geplant und akribisch inszeniert, sodass die gute Marilyn mit einem galanten Griff zum Kleid dafür sorgen konnte, dass dieses zwar manch interessanten Einblick ermöglichte, das „Wesentliche“ jedoch zeitgeistkonform verdeckt blieb.
In Summe ein berühmtes Vorbild und viel Hollywood Flair, aber auch viele halbgare und wenig originelle Nachahmungen in den nachfolgenden 60 Jahren. Ein „fliegendes Kleid“ richtig zu inszenieren, bleibt für Fotografen daher immer eine spannende Aufgabe.
Wie sich vielleicht der eine oder andere noch erinnert, habe ich dies für meinen Kunden „EINE LINIE„ aus Stuttgart schon im Jahre 2017 mit den Sprüngen realisiert… geile Strecke, die Models flogen nur so über´s gelbe Rapsfeld. Dazu gibt es sogar ein Interview mit www.berufsfotografen.com.
Ein wenig Wiedererkennungswert darf natürlich mit dabei sein, auch um das erste Interesse des Betrachters zu gewinnen. Aber um die Leute dauerhaft für ein Motiv zu begeistern, wird jedoch immer auch etwas Neues und Innovatives benötigt. Insbesondere, wenn die Bilder das kritische Publikum bei einem Pitch der tab indivisuell werbeagentur überzeugen sollen, einer meiner langjährigen Lieblingskunden und eine toll aufgestellte Werbeagentur mit bestem Netzwerk. Denn für diesen Auftrag hatte ich die Aufgabe, genau dafür vier Kleider und Frisuren in einprägsamer Art und Weise abzulichten.
Da die Kleider sehr lang waren, sind wir nach einem kurzen brainstorming auch sehr schnell wieder auf „das Fliegen“ gekommen, da diese mit einem stehenden Model nicht so schön gekommen wären, wobei wir dem Kunden letztendlich auch Modefotos präsentieren wollten, welche nicht auf nur einer Location, wie z.B. das o.g. Rapsfeld, begrenzt waren … von dem abgesehen, dass es draußen sowieso noch viel zu kalt und von Frühlingsfarben wenig zu sehen war.
Der wesentliche Unterschied
Was die Sache etwas erleichtert hat – Das Ziel der Bilder war im Grunde genommen genau das Gegenteil des historischen Vorbilds. Denn während der Reiz des Motivs der schönen Marilyn, vor allem für den männlichen Teil der Weltbevölkerung, ja darin liegt, dass man durch den „Flug“ nur noch möglichst wenig vom Kleid sieht, wollten wir die Kleider fliegen lassen, damit man möglichst viel davon sehen kann.
Um uns große Aufwendungen für Reisen und Location zu ersparen und nicht dem wechselhaften deutschen Frühlingswetter ausgeliefert zu sein, haben wir uns also für ein Shooting im hiesigen Esslinger Studio entschieden. Hab ja nicht umsonst so schöne, große und stylische 4 Wände hier in dieser „Weltmetropole“ stehen. Mit zwei Assistenten und dem professionellen Model Lara von Känel aus der Schweiz, mit der ich schon oftmals erfolgreich zusammengearbeitet hatte, ging es nun ans Werk. Für Hair & Makeup hatte ich wieder mal unsere erfahrene und zuverlässige Olga Koroch gebucht. So nebenbei: Auch immer wieder eine absolute Gaudi, wenn sie ihre quirllige Kira (Chihuahua) mitbringt.
Nun stand natürlich die Frage im Raum, wie wir die Kleider denn zum Fliegen bringen können. Der Wind von unten ist, wie man der kleinen historischen Einleitung entnehmen kann, ja schon ein wenig abgestanden. Aber was wäre die Alternative? Ok., … dann holen wir eben mal wieder das gute Trampolin aus der Requisite und positionieren es mitten im Studio, um Lara fliegen zu lassen. Das Kleid wird ja dann schon mitkommen… müssen… hoffentlich… hat ja beim o.g. Rapsfeld-Shooting auch toll funktioniert.
Die Sache mit dem Trampolin
Grundsätzlich ist Trampolinspringen ja eine tolle Geschichte. Und sehr beliebt, denn inzwischen zieren diese Geräte, mehr oder weniger ansehnlich gefühlt, jeden dritten deutschen Garten. Und eine erfolgreiche Trampolinspringerin hat es später sogar zur Kanzlerkandidatin und Außenministerin gebracht. Was sollte da also schon schief gehen?
So einiges! Denn das Problem beim Trampolinspringen ist: Bei den ersten Sprüngen macht es noch richtig Spaß und Freude. Ab der 30. Wiederholung kann man es schon als ambitionierte sportliche Leistung verbuchen. Und irgendwann brennt die Muskulatur in den Beinen derartig, dass die Modelgage schnell zum Schmerzensgeld wird.
Keine Sorge. Ganz so weit haben wir es natürlich nicht kommen lassen. Nach einigen Wiederholungen, in denen Lara nach Kräften versucht hat, sich weit nach oben zu katapultieren, Frisur und Lächeln zu wahren, diesen Flug dann noch gelenkschonend zu landen und meine beiden Assistenten dabei das perfekte Timing gesucht haben, den Stoff des Kleides an den Rändern formschön mit aufsteigen zu lassen, wurde uns klar: So wird das einfach nichts.
Weniger ist manchmal mehr
Also back to the basics und weg mit dem Trampolin, bevor es noch Verletzte gibt oder unsere süße Kira bei falscher Landung versehentlich gar ganz platt gemacht wird. Im nächsten Versuch, ohne Sprunghilfe, funktionierte es – überraschenderweise – deutlich besser. Weniger ist eben doch manchmal mehr, und oftmals geht es auch ohne ausgefeilte Technik. Lara setzte zum eleganten Sprung an, die Assistenten brachten den edlen Stoff des Kleides in eine imposante Flugbahn und ich musste nur noch das perfekte Foto schießen.
Nur noch… zum Glück konnte ich hier dann doch noch auf ein technisches Wunderwerk zurückgreifen. Dank dem schnellen Motor meiner Nikon konnte ich genau den winzig kleinen Augenblick jedes Sprunges festhalten, in dem die Bewegung des Stoffes in der Luft, die Frisur in der Dynamik des Sprungs und der über alle Strapazen hinwegtäuschende Ausdruck von Lara die perfekte Komposition ergaben. Klingt nicht ganz einfach und war es tatsächlich auch nicht… aber für ganz einfach gibt es ja auch andere Fotografen.
Nach vielen gut getimeten Sprüngen und genauso gut getimeten Bildern hatten wir alle Bilder im Kasten, Lara einen zünftigen Muskelkater und ich in bester Zusammenarbeit mit der fleissigen Karin von www.pointprepress.de noch ordentlich Arbeit mit der Bildedition, -bearbeitung und passender Hintergrundsuche zur Montage.
Wobei man bei Betrachtung der Ergebnisse dann durchaus sagen kann: Die Mühe war es wert.
Also, mal wieder herzlichen Dank ans gesamte beteiligte Team !!!
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Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal,
Michael